Kairo, Ägyptens Hauptstadt und größte Metropole des afrikanischen Kontinents, zugleich kulturelles und ökonomisches Zentrum des Mittleren Ostens, ist mit geschätzten 15 Mio. Einwohnern wahrhaft eine Megalopolis. Täglich strömen zusätzlich zwischen 2,5 und 3 Millionen Pendler in die Landeskapitale, deren Infrastruktur diesem Andrang schon lange nicht mehr gewachsen ist. Trotz der 1987 in Betrieb genommenen U-Bahn und der Modernisierung des Vorort-Zugnetzes, der vielen hundert zusätzlich eingesetzten Busse und der Überbauung der wichtigsten Verkehrsadern mit Hochstraßen, fließen der öffentliche und private Nahverkehr in der Stadt mitnichten in geordneten Bahnen, und obwohl in den letzten Jahren rund um Kairo Retortenstädte wie etwa Salam City und Tenth of Ramadan angelegt wurden, ist die Wohnungsnot, bedingt durch die Landflucht, außerordentlich groß; selbst auf Friedhöfen hausen Tausende von Familien.
1989 beschlossen die Stadtväter, Kairo solle nicht mehr ungebremst weiterwachsen.
Ein Ausschuß für soziale Dienste und soziale Entwicklung nahm seine Arbeit auf und entwickelte entsprechende Vorschriften. Danach dürfen sich in Kairo keine Industriebetriebe mehr ansiedeln, es soll auch der Bau von Hochhäusern und großen Hotels gestoppt werden. „Eine radikale Lösung ist nicht mehr zu vermeiden“, heißt es im Rathaus.
Die Strom- und Wasserversorgung sowie die Schmutzwasserdränage sind – vor allem in den alten Stadtvierteln – in einem katastrophalen Zustand; kaum ein Tag vergeht, an dem nicht baufällige Häuser einstürzen und Bewohner in den Tod reißen. Durch den Smog und die Zerstörung historisch bedeutender Areale werden und wurden zerstören viele Kulturdenkmäler Kairos zerstört. Salih Lami, Leiter des Zentrums für die Wiederbelebung des islamischen Kulturbesitzes, erzählt, daß „manche Moscheen regelrecht auf Abwasserteichen schwimmen“. Es fehlen alle Mittel und Möglichkeiten, die historischen Gebäude zu pflegen und zu erhalten. Lami: „Das, was wir hier erleben, ist kalter Kulturmord“. 922 erhaltenswerte Objekte hat der deutsche Archäologe Michael Meinecke vor einigen Jahren katalogisiert, derzeit sind höchstens noch 500 davon vorhanden, jedes Jahr stürzen weitere 20 bis 30 Bauten in sich zusammen.
Die Zabbalin sind Kopten, gelten jedoch als unrein. Sie sind die Mülleute, deren gut durchdachtes Routennetz die gesamte Stadt erfaßt. In getrennten Säcken und Kisten werden wiederverwertbare Sachen wie Altglas, Metalle, Plastik, Lumpen oder Altpapier vorsortiert, um dann erneut in den Konsumenten eingeschleust zu werden. Die Zabbalin leben vom Verkauf der Altmaterialien an kleine Werkstätten und Gewerbetreibende, mit den Speiseresten füttern sie Ihre Schweine, die sie dann wieder verkaufen. Die Zabbalin wohnen im Norden Kairos inmitten des angehäuften Mülls, und nur ihre kräftigsten Kinder überleben. Sie sind von der Gesellschaft geächtet, doch ohne sie würde die Stadt im Dreck ertrinken. Angeblich werden 80% des Abfalles wiederverwertet. Recycling ist hier schon lange bekannt, nicht der Umwelt zuliebe sondern aus der Not heraus. Besucher werden diese Misere freilich allenfalls am Rande bemerken. Kairo ist und bleibt eine der bedeutendsten Kulturstätten überhaupt, beeindruckt durch seine unverwechselbare Skyline von Minaretten ebenso wie durch seinen Reichtum an pharaonischen und islamischen Kulturdenkmälern. Kairo präsentiert sich mit zwei völlig konträren Seiten.
Die eine ist modern und vom westlichen Lebensstil beeinflußt, die andere mittelalterlich geprägt.
Der neuzeitliche Teil der Stadt zeigt sich mit hohen Appartement- und Bürohäusern im Geschäfts- und Bankenzentrum, das nördlich vom Md. Tahrir liegt, dem größten Verkehrsknotenpunkt der Stadt. Dieses Viertel wird hauptsächlich von Ausländern und der gehobenen Mittelschicht frequentiert. In diesem Stadtteil tragen viele Männer europäische Kleidung, die Frauen sind im neuislamischen Stil herausgeputzt. Südlich vom Tahrir liegt am Nil die Gartenstadt. In diesem Viertel, das unter viktorianischem Einfluß entstanden ist, führten seinerzeit die Ausländer, abseits des täglichen Überlebenskampfes der Kairoer Bevölkerung, ein exklusives Leben, bedient von hochgewachsenen, verschwiegenen und treu ergebenen Nubiern, die sich dem Christentum näher fühlten als dem Islam.
Wasser ist in Kairo Mangelware. Die Not macht erfinderisch und viele geben lieber ein paar Piaster an den Wasserverkäufer aus, als sich stundenlang bei den öffentlichen Wasserhähnen anzustellen und die Nerven zu strapazieren.
Das moderne Kairo
Kairo feierte 1969 seinen tausendsten Geburtstag und ist das Gegenteil einer Museumsstadt, antike Stadtviertel finden heute eine neue Bestimmung. Das extremste Beispiel ist das der riesigen Totenstadt, die nach und nach von obdachlosen Lebenden besetzt wurde, die nirgendwo sonst eine Bleibe fanden.
Kairo verführt nicht auf Anhieb durch augenfällige Schönheit: sein Reiz ist ein versteckter, der entdeckt sein will, um später Heimweh nach ihm zu haben.
Taxi fahren in Kairo, ca. 7 EP, ist das erste wirklich aufregende Erlebnis. Es geht über die Qasr al Nil-Brücke und führt auf die Insel Gezira, deren weitaus größte Fläche vom exklusiven Gezira Sporting Club eingenommen wird, zum nicht zu übersehenden Wahrzeichen des Insel-Gezira-Viertels , der 187 Meter hohe Cairo Tower in Form eines stilisierten Lotusstengels mit Blüte. Tagsüber hat man von der Aussichtsplattform einen weiten Blick über die Metropole, nachts beeindruckt das von Horizont zu Horizont reichende Lichtermeer der Stadt. Am 5.11. war es jedoch zu diesig, um die versprochene Aussicht zu haben. Viele Botschaften konzentrieren sich in diesem Stadtteil, und die Insel zählt zu den besten Adressen im Kairoer Zentrum.
Am Midan el Gezira mit dem Denkmal Saad Zaghlouls, einem der Väter der ägyptischen Unabhängigkeit, betritt man den Andalusischen Garten an der Oper, diesen ehemals prächtigen maurisch-andalusischen Garten, der heute etwas verkommen und oft geschlossen ist. Der Löwenbrunnen ist dem in Granadas Alhambra nachempfunden. Auf dem Weg zum nahen Cairo-Tower steht der Obelisk Ramses´ II. aus Tanis im Niltal.
Wer der Verlängerung der Qasr al Nil-Brücke folgt, erreicht nach kurzem Fußweg das Opernhaus von 1988, daß sich mit seinen Konzerten, Ballett- und Opernaufführungen zu einem der bedeutendsten Kulturzentren in Ägypten etabliert hat. Viele ausländische Musiker und Tänzer gastieren in diesem Haus und treten mit dem
Kairoer Ensemble auf. Das Programm der Oper, zu der auch eine Bibliothek gehört, ist sehr abwechslungsreich, und lohnt auf jeden Fall einen abendlichen Besuch.
Sehenswert ist im Opernhaus-Komplex mit seiner modernen islamischen Architektur das Kulturzentrum für zeitgenössische Kunst, das Museum of Modern Egyptian Art das zeitgenössische und moderne Kunst zeigt. Man betrachtet ägyptische Maler seit Beginn des 20. Jahrhunderts: Die Geschichte der Sammlung beginnt in den 20er Jahren, als sich eine Künstlergruppe zusammenschloß, darunter Mahmoud Mukhtar, Yousef Kamal, Mahmoud Khalil und Ragheb Ayad, und den Bau eines Museums forderte. Von 1927-1929 stellten sie gemeinsam mit in Ägypten lebenden Ausländern erstmals ihre Werke aus. Erst 1991 eröffnete Präsident Mubarak dieses Museum. Die Sammlung besteht aus mehr als 10000 Werken von den ersten Pionieren bis zu den zeitgenössischen Künstlern. Die große übersichtliche Ausstellung verteilt sich auf drei Stockwerke. In unregelmäßigen Abständen gibt es Schwerpunktausstellungen, die – unerwartet für den Besucher – durchaus auch Aktmalerei präsentieren. Vor dem Museum stehen Skulpturen verschiedener ägyptischer Bildhauer.
Zumindest einen kurzen Besuch lohnt für den kunstsinnigen Besucher das Gezira Arts Centre mit dem Islamic Ceramics Museum an der Gezira Street/Ecke Al Sheikh al Marsafy Street (in der unscheinbaren kurzen Straße hat die Deutsche Lufthansa die Stadtbüro). Hier wird man mit ägyptischer Kunst und orientalischer Keramik vertraut gemacht (Sa-Do 9-14 Uhr). Das kuppelförmige, im orientalischen Stil gehaltene Gebäude ließ sich um 1900 der reiche Baumwollhändler als Altersruhesitz (Istirakha) erbauen.
Im Norden der Insel führt die Brücke des 6. Oktober zum Landwirtschaftsmuseum, S.257, (Stadtteil Dokki, Di-Do 9-15 Uhr, Fr 9-11.30 und 13.30-14 Uhr), das dem Besucher mit vielen Exponaten die alltägliche Arbeit und das schwere Leben der Fellachen nahebringt.
Im nördlichen Teil der Insel Roda liegt der Manial Palast (tägl. 9-14 Uhr). Erbaut zwischen 1901 und 1929 vom Sohn des Khedive Taufiq, bietet das Museum heute einen Einblick in aristokratische Wohn- und Lebensformen der damaligen Jahrhundertwende.
An der Südspitze der Insel Roda ragt das 716 n. Chr. von den Ummayaden erbaute, im Laufe der Jahrhunderte immer wieder renovierte Nilometer auf, ein Schacht mit einer Steinsäule im Innern, an der die Wasserstandsschwankungen des Nil gemessen wurden. Eine hohe Flutmarke verhieß viel fruchtbaren Schlamm, und hoch fiel dann die Besteuerung der Fellachen aus.
Zentrum des modernen Stadtkerns ist der Midan al Tahrir, der Platz der Befreiung. Hier ist der Verkehr so unübersichtlich, daß die Frage auftaucht: Wie kommt man über die Straßen, auf der die Autos kreuz und quer fahren und weder rote Ampeln beachten noch grüne – und das alles unter den Augen der Polizei. Mit dem Schlachtruf „Go, go, go…..“ ist die Straßenüberquerung völlig unproblematisch, echt!
Um den Midan al Tahrir gruppieren sich das Nile Hilton-Hotel, (mit einer rund um die Uhr geöffneten Bank, einem American Express-Büro, Cafe mit Mindestverzehr sowie Foto-, Film-, Buch- und Souvenirläden), das Ägyptischen Museum, der größte Busbahnhof der Metropole sowie eine Metro-Station (Name: Sadat) und das halbkreisförmige Mugamma-Gebäude gegenüber dem Ägyptischen Museum, in dem man Visa-Verlängerungen bekommt.