Ägypten wurde im Westen meist als das Land der Pyramiden, der immer sonnigen Strände und schönen Tauchreviere wahrgenommen. Da der Staat im Orient als stabil und für Urlauber unproblematisch galt, zählte er bei den deutschen Touristen zur Top Ten der Urlaubsdestinationen. So kam die ägyptische Revolution, die am 25. Januar 2011 auf dem Tahrir Platz begann, für viele überraschend. Doch ägyptische Intellektuelle haben schon vor Jahren auf die Missstände im Land aufmerksam gemacht. Unter ihnen der ägyptische Zahnarzt und Schriftsteller Alaa al-Aswani, der 2004 zu den Wortführern der ägyptischen Opposition „Kifaya“ (zu deutsch „Es reicht!“) gehörte und in seinen zwei Romanen „Der Jakoubijan Bau“ (erschienen 2002 in Kairo und 2007 in Deutschland) und „Chicago“ (erschienen 2006 in Kairo und 2008 in Deutschland) die unterdrückte ägyptische Gesellschaft und den diktatorischen Präsidenten Mubarak beschrieb.

In seinem Roman „Der Jakubijan Bau“ liefert Alaa al-Aswani sowohl ein facettenreiches Porträt der modernen ägyptischen Gesellschaft als auch einen Einblick in die Geschichte Ägyptens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Jakubijan Bau, ein Wohnhaus im Zentrum Kairos, wird mit seinen aus verschiedenen Schichten stammenden Bewohner und verwobenen Schicksalen zu einer Allegorie, einem Mikrokosmos für Ägypten.

Da sind zum einem die armen Bewohner des Daches wie ein junges Mädchen, das alleine

für ihre Familie sorgen muss und von allen Arbeitgebern systematisch belästigt wird. Oder der Sohn des Türhüters, der voller Ehrgeiz steckt und von einer Karriere als Polizeioffizier

träumt und dessen Traum nicht an der Aufnahmeprüfung, sondern an der erforderlichen Bestechungssumme platzt. Zum anderen begegnen wir einem durch die ägyptische

Revolution von 1952 teilenteignetem Grundbesitzer, der sein Büro im Haus rege als Liebesnest nutzt, oder einem homosexuellen  Journalisten, der sich einen armen

Oberägypter als Bettgenossen hält. Wir lesen von einer jungen Frau, die von einem Neureichen als Mätresse unter dem Deckmantel der zweiten Ehefrau gehalten wird sowie von zwei geistigen Predigern, der eine regimetreu, der andere für den Terrorismus werbend.

Al-Aswanis Roman ist ein aufklärerisches Meisterwerk, das durch seine Klarheit und Direktheit besticht. Für alle, die sich für die Hintergründe der ägyptischen Revolution und für das neue, hoffentlich bessere Ägypten und seine Menschen interessieren, ist dieses Buch ein Muss!!

Alaa al-Aswani: Der Jakubijan-Bau
Roman aus Ägypten. Aus dem Arabischen von Hartmut Fähndrich
Lenos Verlag, Basel 2007.
372 Seiten. 19,90 Euro

ISBN: 978-3-857873812

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